9. November

Den Vormittag des legendären 9. November habe ich in Schmannewitz verbracht. Morgenandacht in der Kirche. Mir fallen die unterschiedlichen Kanzeln auf. Ich frage nach. “Die zweite Empore auf der Nordseite war ursprünglich nicht vorhanden. Sie stammt aus einer Kirche von Cröbern bei Leipzig, die der Braunkohle zum Opfer fiel.“ Irgendwie ist das passend zum Gedenktag. Die Empore in schwarz-weiß zum Gedenken an Willkür. Doch wir gedenken an diesem Tag noch an viel Schlimmeres. 1939 – eine Zeit, die ich glücklicher Weise nur aus Erzählungen meines Vaters kenne. Jedes Opfer von Willkür und Gewalt ist ein Opfer zu viel. Zu diesem Satz stehe ich. Besonders rassistischem und rechtem Gedankengut werde ich auch weiterhin entgegentreten. Auch der Versuch des Sozialismus ist aus meiner Sicht gescheitert. Auf der Rückfahrt von Schmannewitz sitzen wir zu viert im Auto. Umleitungsbedingt fahren wir durch den Ort Schwarzer Kater. Ich erwähne, dass in den achtziger Jahren hier ein Atomkraftwerk gebaut werden sollte. Es gab damals Widerstand aus Kirchenkreisen und von Umweltschützern. Ich war damals nicht dabei. Mit drei kleinen Kindern zu Hause hatte ich einfach Angst eingesperrt zu werden. Pfarrer Uli Korbel und einige meiner Freunde, die heute bei den Grünen sind, waren schon damals aktiv.
Am Nachmittag schaue ich noch im Oschatzer Stadion vorbei. Fußball der Herren. Oschatz gegen Merkwitz. Demba Mbye schießt ein Tor. Nach dem Spiel wird rundum abgeklatscht und Demba, wie alle anderen Torschützen, gefeiert. Ich freue mich. Ich habe das Gefühl, die Integration ist gelungen. Der FSV Oschatz hat hier gute Arbeit geleistet. Barbara Scheller

Verwandte Artikel